"Ring frei!" heißt es vom 29.November 2023 bis 2.Dezember 2023 in der Schweriner Palmberg-Arena. Geladen wird dabei zu den 100.Deutschen Meisterschaften im Boxsport, bei denen sich die nationale Elite bei den Frauen und Herren ein sportliches Stelldichein gebe wird. Sieben Monate vor Olympia 2024 in Paris ist dieses Jubiläums-Championat eine wichtige nationale Standortbestimmung.
Der Boxsport und M-V
Der Boxsport und Mecklenburg-Vorpommern. Das war, das ist seit 1920 ff. ohnehin eine große Erfolgsgeschichte. Box-Legende Max Schmeling wurde 1905 im vorpommerschen Klein Luckow geboren. Erfolgs-Trainer Ulli Wegner boxte Anfang der 1960er Jahre für den ASK Vorwärts Rostock. Bekannte Box-Trainer aus M-V sind bzw. waren zudem unter anderem Fritz Sdunek, Uwe Behrendt, Fiete von Thien, Horst Femfert oder Karsten Röwer.
Der leider viel zu früh verstorbene Fritz Sdunek entdeckte, formte und trainierte hier, speziell in Schwerin, jahrzehntelang Boxsportler, die zu olympischen, weltmeisterlichen und europameisterlichen Ehren kamen.
Namen, wie Bruno Guse, Paul Nickel, Dieter Neidel, Karl Degenhardt, Jürgen Schlegel, Manfred Weidner, Bernd Wittenburg, Rene Breitbarth, Dieter Berg, der früh verunglückte Sven Lange, Torsten Schmitz, Jan Quast, Michael Timm, Martin Dreßen, Sebastian Zbik, Sebastian Sylvester, Jürgen Brähmer oder insbesondere die Olympiasieger Andreas Zülow (1988), Andreas Tews (1992) und Jochen Bachfeld (1976) bzw. der Jugend-Olympiasieger Peter Kadiru (2014) haben weit über die mecklenburgischen bzw. vorpommerschen Box-Grenzen hinaus einen ausgezeichneten Klang. Der Amateur-Boxsport „Made in M-V“ hatte (und hat durchaus noch immer) „Weltruf“.
Doch: Wie fing alles an? Welches sind "die Wurzeln" der heutigen Erfolge?
„Entsprechend der Bedeutung und der Perspektiven der Landwirtschaft, als gleichberechtigter Wirtschaftszweig der Volkswirtschaft in der DDR, wie sie vom IV. Parteitag der SED 1954 beschlossen wurden, und zur besonderen Förderung der sportlichen Aktivität der Landjugend, wurde der Sportklub Traktor gegründet.“, so lautete die offizielle Lesart zur Konstituierung des SCT als damals größter Sportklub des Bezirkes Schwerin. Vor der Gründung des SC Traktor Schwerin hatte sich – als Vorläufer – bereits die Sportvereinigung Traktor 1951 gebildet.
Die kleineren städtischen und dörflichen Sportgemeinschaften in Westmecklenburg wurden in der „Sportvereinigung Traktor“ zusammengefasst, die Mitte der 1950er Jahre in Schwerin quasi ein „Leistungszentrum Traktor“ erhielt. Die Sportler der Sportklubs Traktor waren nun nicht mehr die Repräsentanten eines einzelnen (landwirtschaftlichen) Betriebes, sondern sie sollten „zum Ruhm und zur Ehre der gesamten Landbevölkerung der DDR kämpfen“. Für die kleineren westmecklenburgischen Sportklubs bedeutete dieses allerdings, dass sie ihre leistungsstärksten und talentiertesten Nachwuchskräfte nach Schwerin „delegieren“ mußten.
Seit dem 1.Juni 1955 nahm die Sportklubleitung Traktor ihre Tätigkeit in Schwerin auf und begann mit der „Konzentrierung“ der besten Leistungssportler der Sportvereinigung. Am 18.Juni 1955 konstituierte sich der „SC Traktor Schwerin“ mit einer „Gründungsversammlung“ offiziell in Schwerin.
Zunächst nahm die Sektion Boxen im SC Traktor Schwerin die sportliche Arbeit auf. Bereits Anfang Juni 1955 hatte der renommierte Trainer Herbert Eylert, der bis dahin die Box-Staffel der BSG Traktor Demmin betreute, eine „bunte Truppe“ für die Schweriner „Traktoren“ aufgebaut. Den Stamm des „neuen“ Teams für den SCT bildeten daher auch die „alten“ Demminer Boxer, wie Wolfgang Labahn, Heinz Nagel, Duda und Karnstädt. Wolfgang Altrichter stammte ursprünglich aus Halle, Gerhard Muschak aus Anklam und Eberhard Matthäus aus Landesberg/Halle. In atemberaubendem Tempo musste diese Staffel eine hohe Fitness und große Schlagkraft aufweisen, denn schon am 25.Juni 1955 musste sie sich in der Staffel II der DDR-Oberliga gegen die BSG Chemie Bernburg behaupten.
Die Nachwuchsarbeit bei den Boxern zeigte schnell erste Erfolge: Mitte Juli 1955 trainierten unter Anleitung der beiden SCT-Boxtrainer Herbert Eylert und Georg Walter schon 10 Jugendliche. Zudem erhielten die Boxer am 12.07.1955 auch eine eigene Sektionsleitung, die aber der Klubleitung unterstellt war.
Und seitdem feierte der organisierte Boxsport in Schwerin zahlreiche nationale und internationale Erfolge, avancierte Mitte der 1970er bis Mitte der 1980er zu einem der erfolgreichsten Box-Clubs der Welt.
So am Rande bemerkt: Bereits vor der Gründung des SCT hatten Schweriner Faustkämpfer für Furore gesorgt. So erkämpfte H.Brien, für Empor Schwerin startend, 1951 bzw. 1952 den (ost-)deutschen Meistertitel im Fliegengewicht; G.Schmidt (ebenfalls Empor Schwerin) erkämpfte dazu 1952 den gleichen Titel im Federgewicht.
Olympia vor den Fäusten: Die olympischen Box-Wettkämpfe 2024 werden vom 27.Juli 2024 bis 10.August 2024 in der Arena Paris Nord ausgetragen, wobei sechs Entscheidungen bei den Frauen und sieben Entscheidungen bei den Herren auf dem Programm stehen werden. Die erfolgreichsten Faustkämpferinnen und Faustkämpfer kamen im olympischen Boxsport, seit 1904 im olympischen Programm, aus den USA (50) gefolgt von Kuba (41), Russland (einschl. UdSSR/24) und Großbritannien (20).
Die olympische Box-Bilanz für Deutschland (mit DDR und Westdeutschland) lautet elfmal Gold, vierzehnmal Silber und dreiundzwanzigmal Bronze.
Die erfolgreichsten Boxsportler bei Olympia sind die Kubaner Teofilo Stevenson bzw. Felix Savon und der Ungar Laszlo Papp (je dreimal Gold), wobei Teofilo Stevenson ohne die kubanischen Boykotte von 1984 und 1988 sogar fünfmal Gold hätte erreichen können. Bei den Wettkämpfen der Freundschaft 1984 in Havanna, der Gegenveranstaltung des Ostblocks zu den Spielen in Los Angeles 1984 im Boxen, siegte Teofilo im Superschwergewicht. Torsten Schmitz (Schwerin) siegte dort als einziger Nicht-Kubaner im Weltergewicht.
Bei den IBA-WM 2023 im Boxsport in Taschkent (Usbekistan, Herren) und in Neu-Delhi (Indien, Frauen) stellten Usbekistan (5 x Gold/Herren) und Indien (4x Gold/Frauen) die erfolgreichsten Staffeln.
M.Michels
Weitere Infos zu den 100.DM im Boxen in Schwerin unter www.traktorboxen.de