Paris und Olympia. Das war in der Vergangenheit einmal ein ziemlicher Reinfall (1900) und einmal (1924) durchaus gelungen.

Deutsche Athletinnen und Athleten haben an die Stadt der Liebe eher zwiespältige olympische Erinnerungen. 1900 – bei den suboptimalen Spielen – durften sie teilnehmen. Im Jahr 1924 – bei den gelungenen – nicht. Bei der 1924er Ausgabe nahm die Sportwelt den Deutschen ihre maßgebliche Mitverantwortung am ersten Weltkrieg noch immer übel.

Paris 1900 – eine Scharade

Paris 1900 – das war weniger Olympia, als vielmehr internationale sportive Folklore im Rahmen der damaligen Weltausstellung. Der Begriff „Olympische Spiele“ tauchte während der Wettkämpfe kaum bis nicht auf, man sprach offiziell eher von internationalen Sportwettkämpfen. Viele Athletinnen und Athleten, die in Paris vor 124 Jahren starteten, wussten nicht einmal, dass es sich um Olympische Spiele handelte. Diese dauerten „ewig“ lange – von Mitte Mai 1900 bis Ende Oktober 1900. Das Interesse war erbärmlich, die Organisation erschütternd, Baron Pierre de Coubertin, der Begründer der Olympischen Spiele der Neuzeit, selbst Franzose, verzweifelt und die Teilnehmerzahlen relativ gering. Rund 1000 Sportlerinnen und Sportler aus 24 Ländern buchten ein Ticket nach Paris.

Das Wettkampfprogramm war übersichtlich (95 Entscheidungen in 19 Sportarten), aber die „Grande Nation“ war „oben auf“. Mehr als 100 Plaketten, damals nur Silber und Bronze (Gold, Silber, Bronze gab es erst ab 1904 in Saint Louis!), erkämpfte Frankreich – sehr zum Missvergnügen der Amerikaner, die nur 47 Plaketten „einsackten“. Das Deutsche Reich war hingegen bescheiden: neun Medaillen, darunter viermal Gold – im Schwimmen, im Segeln und im Rudern. Der Bremer Ernst Hoppenburg war dabei mit zweimal Gold im Schwimmen der beste deutsche Teilnehmer 1900.

Ansonsten war Paris 1900 – aus olympischer Sicht – eher zum Vergessen.

Paris 1924 – sehr gelungen!

24 Jahre später sah es schon anders aus. Die Organisation war deutlich besser bis gut. Coubertin zeigte sich zufrieden. Und die Teilnehmerzahlen lagen deutlich höher. Rund 3100 Athletinnen und Athleten aus 44 Ländern zog es nach Paris. Deutschland war – wie eingangs erwähnt – unerwünscht. Viele Medaillen gab es – in 126 Entscheidungen bei 17 Sportarten. Zum Leidwesen der Französinnen und Franzosen waren die USA, zwischen dem 4.Mai 1924 (Tag der Eröffnung) und dem 27.Juli 1924 (Abschlussfeier), dieses Mal deutlich besser als die Gastgeber: Die USA schafften 99 Medaillen, darunter 45 x Gold. Sogar Finnland war in der Goldmedaillen-Anzahl stärker als Frankreich – 14:13. Das verdankten die Finnen vor allem ihren Wunderläufern Paavo Nurmi und Ville Ritola. Nurmi erkämpfte fünf, Ritola vier Goldene anno 1924.

Der „Star“ der 1924er Spiele war jedoch Johnny Weissmüller (USA), der auf dreimal Gold im Schwimmen kam. Doch nicht unbedingt seine Erfolge 1924 und dann 1928 machten Johnny reich und berühmt, nein, es war die Hauptrolle in den mehr und minder gelungenen Tarzan-Verfilmungen zwischen 1932 und 1948.

Paris 2024 folgt...

100 Jahre später, vom 26.Juli bis 11.August 2024, ist Paris zum dritten Mal Gastgeber Olympischer Spiele – nur London durfte in der Geschichte bis dato dreimal Olympische (Sommer-)Spiele austragen (1908, 1948 und 2012.

Aber schon wieder ist die olympische Welt – und nicht nur die – alles andere als in Ordnung. Zurzeit toben 47 Konflikte und Kriege weltweit. Viele „Experten“ fassen diese bereits als Vorgeplänkel auf einen neuen großen Krieg auf. Die Menschheit ist in den letzten 125 Jahren leider nicht klüger geworden. Wie meinte schon Sigmund Jähn, der erste deutsche Raumfahrer, 2018 treffend: „Unser Planet ist nicht groß genug, als dass der Mensch ihn nicht kleinkriegen könnte mit seiner Profitgier…“

Und Macht- und Profitgier gibt es nicht nur „im Osten“, sondern auch „im Westen“. Schon wieder geht ein tiefer Riss durch die Welt, tiefer als zu Zeiten des Kalten Krieges. Nicht nur, aber insbesondere der Krieg zwischen Russland und der Ukraine erschüttert. Wie war bzw. ist es möglich, dass die einst historisch und immer noch familiär verbundenen Völker der Russischen Föderation und der Ukrainischen Republik nun einen grausamen Krieg gegeneinander führen?! Hat die internationale Völkergemeinschaft wirklich alles, aber auch nahezu alles getan, um diesen zu verhindern?! Auch Deutschland spielte vor dem Februar 2022, als auch danach keine rühmliche Rolle!

Die Konsequenz ist nun, dass alle derzeitigen Konflikte und Kriege einen großen Schatten auf Olympia in Paris werfen. Die Sportlerinnen und Sportler aus Russland und Weißrussland sind bei Olympia derzeit nicht sehr willkommen und dürfen nur unter neutraler Flagge und ohne nationale Identität dabei sein. Von der Sportgroßmacht Russland dürften wohl nur vierzig Sportlerinnen/Sportler vor Ort sein, aus Weissrussland auch nur drei. Der Turnsport, das Synchronschwimmen, die Rhythmische Sportgymnastik, die Ballsportarten, die Schwerathletik, die Leichtathletik, die maritimen Sportarten, die Kampfsportarten werden ohne Russinnen und Russen auskommen (müssen). Vielleicht gewinnen Amerikaner, Deutsche, Chinesen, Franzosen oder Briten dadurch mehr Medaillen. Aber kann man sich darüber freuen?! Eher nicht!

So wird im olympischen Sportsommer 2024 in Paris in 329 Entscheidungen bei 32 Sportarten um die Plaketten gewetteifert werden. Rund 11000 Athletinnen und Athleten aus mehr als 200 Ländern werden starten – die Abstinenz von Russland und Weissrussland wird dabei wohl nur echten Sportinteressierten auffallen.

Sport treibt man inzwischen lieber daheim oder im Verein! Statt olympische Couch-Potatoes lieber selbst zu Laufschuh und Hanteln greifen... Denn wie wie meinte schon Bert Brecht, der große Lyriker: „Leider beginnt der große Sport erst dort, wo er aufhört gesund zu sein!“. Und gesunde Zeiten haben wir ohnehin nicht.

Dennoch wird man den Athletinnen und Athleten die Daumen drücken - und knapp sechs Wochen vor Paris haben schon zwei MV-Athletinnen ihre Tickets sicher: Die beiden Rostocker Wasserspringerinnen Jette Müller (WSC Rostock) und Saskia Oettinghaus, die allerdings für Dresden antritt.

Marko Michels