Mecklenburg-Vorpommern ist zweifellos ein Reitsportland, besitzt bekannte, ja berühmte pferdesportliche Wettkampf-Stätten. Sei es das Landesgestüt in Redefin, das 1812 gegründet wurde, oder die besagte Rennbahn bei Bad Doberan, auf der es 1822 die ersten Galopp-Rennen gab. In Schwerin gab es ebenfalls pferdesportliche Veranstaltungen, so gab es 1848 erste Dressur-Wettstreite in der mecklenburgischen Landesmetropole.

MV hat zudem mit Carl-Friedrich von Langen, den zweifachen Dressur-Olympiasieger von 1928 aus Parow bei Stralsund, und Ludwig Stubbendorff, dem zweifachen Vielseitigkeits-Olympiasieger von 1936 aus Turloff bei Dabel, nicht nur zwei ganz herausragende Reitsportler hervor gebracht, sondern auch weitere Reitsportler mit olympischen Ehren.

Olympisches Dressur Gold geht nach Vorpommern – Freiherr von Langen siegte vor fast 90 Jahren

Die erste Goldmedaille bei Olympischen Spielen für die Region des heutigen Mecklenburg-Vorpommern gewann am 11. August 1928 in Amsterdam der Dressur-Reiter Carl Friedrich Freiherr von Langen. 1887 in Klein Belitz zur Welt gekommen, wirkte er vorwiegend im vorpommerschen Ort Parow (bei Stralsund/Provinz Pommern).

In einem der hochklassigsten Dressur-Wettbewerbe der olympischen Geschichte verwies von Langen mit seinem Pferd “Draufgänger” mit 237,42 Punkten den Franzosen Charles Marion auf “Linon” (231 Punkte) und den Schweden Ragnar Olson auf “Günstling” (229,78 Punkte) auf die Ehrenplätze. Von Langen beherrschte dabei die zweitägige Dressur-Entscheidung (am 10. und 11. August 1928) – deutlicher als alle seine Vorgänger seit 1912.

Die Team-Wertung, die bei den Spielen 1928 in Amsterdam olympische Premiere feierte, wurde ebenfalls von der deutschen Mannschaft mit von Langen an der Spitze vor Schweden und den Niederlanden gewonnen. Errechnet wurde diese aus den Punktzahlen der drei teilnehmenden Reiter jedes Landes. Von Langen war mit seinen beiden olympischen Goldmedaillen einer der erfolgreichsten Athleten. Er war ein ausgezeichneter Reitsportler, der in den Folgejahren sehr viel nationale und internationale Anerkennung genoss.

Entwicklung nach Amsterdam 1928

Nach Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 wurde versucht, den im ersten Weltkrieg verwundeten deutschen Patrioten von Langen zu vereinnahmen. In dem NS-Propagandafilm “Reitet für Deutschland” spielte er zwar eine Hauptrolle: Gleichwohl nahm er auch weiterhin an internationalen Wettbewerben im Dressurreiten, Jagdspringen und sogar in der Military teil; zu seinen olympischen Konkurrenten von 1928 pflegte von Langen freundschaftliche Kontakte.

Alle weiteren reitsportlichen Ambitionen wurden jäh am 15. Juli 1934 gestoppt. Bei einem Military-Wettkampf in Döberitz verunglückte von Langen schwer. Wenige Tage später – am 3. August 1934 – erlag der herausragende Reiter seinen Verletzungen.

Zu von Langens Lieblingspferd Hanko...

Der Wallach Hanko, anglo-arabischer Abstammung, kam während des ersten Weltkrieges nach Deutschland und fand einen Eigentümer in Pommern, der ihn vor allem für Freizeit- und Geländeritte nutzte. Da sich Hanko jedoch verletzte, wollte ihn der damalige Besitzer veräußern. Von Langen sah das talentierte, aber gesundheitlich angeschlagene Pferd, kaufte es und “päppelte” es auf seinem Gut in Parow wieder auf. Trotz seiner Kriegsverletzung schaffte es von Langen, den Wallach reitsportlich zu trainieren und auf ihm Turniere zu bestreiten. Der begnadete Reiter von Langen erkämpfte nach dem ersten Weltkrieg zahlreiche internationale Triumphe auf Hanko, seinem bevorzugten Pferd, unter anderem bei den internationalen Reiterspielen in Malmö bzw. vor allem beim deutschen Spring-Derby.

Military-Gold für Ludwig Stubbendorff 1936

Aber nicht nur im Dressur-, sondern auch im Vielseitigkeitsreiten hat Mecklenburg und Vorpommern eine gute olympische Tradition. Die ersten olympischen Goldmedaillen erkämpften die deutschen Vielseitigkeitsreiter übrigens 1936 in Berlin – dank eines gebürtigen Mecklenburgers. Ludwig Stubbendorff, 1906 in Turloff/Dabel geboren, siegte auf „Nurmi“ vor dem Amerikaner Earl Foster Thomson und dem Dänen Hans Lunding. Auch die deutsche Mannschaft erkämpfte Gold vor Polen und Großbritannien.

Unter den fünf olympischen Ringen – weitere Reiter aus MV

Und es gibt weitere Reitsportler aus MV, die unter den fünf olympischen Ringen starteten. Der 1938 in Röbel geborene Horst Köhler wurde 1968 Olympia-Fünfter im Einzel und Olympia-Vierter mit der DDR-Dressur-Equipe. In München 1972 konnte er mit dem DDR-Dressur-Team dann Rang fünf belegen. Unter anderem war er auch Vize-Europameister 1969 und WM-Dritter 1970 mit dem DDR-Team.

Die Goldmedaille in der Dressur 1968 sicherte sich Iwan Kissimow (Sowjetunion) vor Josef Neckermann bzw. Reiner Klimke (beide Westdeutschland). In der Mannschaftswertung siegte Westdeutschland. In München hingegen gab es für Westdeutschland den Erfolg im Einzel durch Liselott Linsenhoff vor Jelena Petuschkowa (Sowjetunion). Die Dressur-Team-Wertung ging an die Sowjetunion vor Westdeutschland.

Aus Willershausen/Grimmen stammt hingegen Rudolf Beerbohm, Jahrgang 1941, der zum Beispiel 1972 in München in der Military mit seinem Pferd „Ingolf“ Elfter im Einzel und Fünfter mit dem DDR-Team wurde. Beide olympischen Goldmedaillen erkämpfte in der Military 1972 Großbritannien, wobei Richard Meade die Einzelwertung als Erster abschloss. Das westdeutsche Military-Team schaffte 1972 Bronze.

Ein weiterer Olympia-Reitsportler ist Gerhard Brockmüller aus Darchau, der folgende Resultate bei Olympischen Spielen vorweisen kann: in Mexico-City 1968 im Dressur-Einzel Zwölfter bzw. mit dem Dressur-Team der DDR Vierter sowie in München 1972 im Dressur-Einzel Dreizehnter und mit dem Dressur-Team der DDR Fünfter.

Nominiert und dann leider nicht dabei

Zur nominierten deutschen Vielseitigkeits-Mannschaft für die Olympischen Spiele 1992 in Barcelona gehörte auch der Mecklenburger Christian Zehe aus Sanitz. Leider starb sein Pferd Gallus nach dem letzten Training kurz vor den Spielen… In Barcelona war dann Matthew Ryan (Australien) vor Herbert Blöcker vom deutschen Team bzw. Blyth Tait (Neuseeland) erfolgreich. In der Team-Wertung belegte Australien vor Neuseeland und Deutschland Rang eins.

Wie war das jedoch vor 50 Jahren, als DDR-Reitsportler letztmals an Olympischen Spielen teilnahmen?!

Interview mit dem deutschen Erfolgs-Dressur-Reiter aus M-V, Horst Köhler

„In Mexico 1968 war es stimmungsvoller, facettenreicher, einfach schöner...“

Horst Köhler, geboren 1938 in Röbel/Müritz, zu den Vorbereitungen auf die Reiterspiele 1972: „Wir bereiteten uns damals sehr zielstrebig auf die olympischen Reitwettbewerbe, um uns Reiter und die Pferde topfit und in Bestform am damaligen Wettkampfort, der Schlossanlage Nymphenburg, präsentieren zu können. Man darf ja nie vergessen, dass Pferde auch Lebewesen sind, die Unwelteinflüssen unterliegen, sich ablenken lassen, auch ihre Tagesform haben. Wir waren jedoch guter Dinge für München.“

Nicht so gut wie 1968

Leider lief es dann bei den olympischen Dressurwettbewerben 1972 aus DDR-Sicht nicht wie erhofft. „Bei den Spielen 1968 in Mexico-City lief es für uns DDR-Dressurreiter sehr gut. Wir schafften Platz vier hinter Westdeutschland, der Sowjetunion und der Schweiz im Team-Wettkampf. Im Einzel ereichten wir die Ränge 5 (meine Wenigkeit mit „Neuschnee“), 12 (Wolfgang Brockmüller auf „Tristan“) bzw. 16 (Wolfgang Müller auf „Marios“). Klasse Platzierungen, über die wir uns zu Recht freuten. In München 1972 konnten wir daran leider nicht anknüpfen. In der Mannschaftswertung wurden wir Fünfter, im Einzel schafften wir die unbefriedigenden Plätze 13 (Gerhard Brockmüller auf „Marios“, 16 (Wolfgang Müller auf Semafor“) und 17 (ich selbst auf meinem neuen Pferd „Imanuel“). Imanuel war ein eher unruhiges Pferd, dem die innere Stabilität fehlte. Die einzelnen Wechsel waren nicht störungsfrei, ihm fehlte eine gewisse Sicherheit. Insofern war der Platz im Mittelfeld für mich folgerichtig… In der Mannschaftswertung triumphierte damals die sowjetische Equipe mit Jelena Petuschkowa und deren Ausnahmepferd Pepel vor Westdeutschland mit Karin Schlüter, Liselott Linsenhoff und Josef Neckermann. Liselott Linsenhoff auf Piaff setzte sich allerdings im Einzel durch, eine sehr sympathische Reitsportlerin, zu der wir DDR-Reiter auch einen guten Kontakt hatten.“, berichtet Horst Köhler.

Deutsch-deutsche Kontakte eher auf Sparflamme

Galt das auch für die anderen Reitsportlerinnen und Reitsportler aus Westdeutschland? „Nein, das war nicht der Fall. Josef Neckermann mied uns, beachtete uns kaum. Wir fanden überhaupt nicht zueinander, er war ein sehr spezieller Typ und ging zu uns DDR-Reitsportlern auf Distanz. Ja, es ist wie im normalen Leben – man kann nicht mit jedem.“, so Horst Horst Köhler

Mexico 1968 war einfach schöner

Wie war München 1972 – kompakt betrachtet - im Rückblick?! „Klare Frage, klare Antwort… Es war bei weitem nicht so schön, so angenehm und so facettenreich wie Mexico-City vier Jahre zuvor. Das Leben, das Rahmenprogramm, die Stimmung waren in Mexico ausgelassener und abwechslungsreicher. Im Olympischen Dorf 1968 sorgten die Mexikanerinnen und Mexikaner für viel Trubel und Heiterkeit, musizierten, tanzten, vieles war spontan. Das fehlte in München, wo doch alles eher sehr kühl und nüchtern war. Es begann bei den Unterkünften und endete mit der nicht immer vielfältigen Kost. Ich hatte sogar das Pech, dass mein Wettkampf unmittelbar mit dem Terror-Anschlag auf die israelische Olympiamannschaft begann. Als bereits die ersten Schüsse fielen – damals war gar nicht klar, was eigentlich los war – musste ich zu meinem Wettkampf zur Schlossanlage Nymphenburg. Ich wollte vom Olympischen Dorf nach Nymphenburg, als mir ein Polizist entgegen kam und sagte: `Mensch, hauen Sie bloß ab, hier wird geschossen.` Ich dachte im ersten Moment nur: `Oh je, hier bist du wohl im Wilden Westen` gelandet.“ Ich rannte dann zum normalen Bus und fuhr zum Wettkampf. Es war alles andere als `schön`. Ich wusste nicht, was wirklich passierte, war innerlich auch aufgewühlt, aber der Wettkampf musste gemeistert werden, was letztendlich – wie erwähnt – nur bedingt gelang.“, äußert sich Horst Köhler zu seinem Olympia-Resümee 1972.

Nach München 1972 weiter gut dabei

Nach München wurde der Reitsport vom olympischen Förderprogramm in der DDR gestrichen. War es schon in München bekannt? „Es sickerte schon etwas durch. Wir gingen davon aus, dass der Start in München wohl unser letzter olympischer Einsatz war. Es galt als offizielles Ziel ja, sich möglichst vor den westdeutschen Konkurrentinnen zu platzieren. Das war schon sehr ambitioniert, um nicht zu sagen, sehr vermessen. Aber ich bin mir nicht sicher, ob wir weiter im olympischen Förderprogramm geblieben wären, selbst wenn wir das geschafft hätten. Ich möchte aber deutlich sagen. Es war keineswegs so, dass eine Welt für uns zusammen brach. Wir starteten ja auch nach München 1972 weiter international, nahmen an renommierten Grand Prix-Wettkämpfen teil, oft im so genannten sozialistischen Ausland, aber ebenfalls im `Westen`. Es gab also keinen Absturz in die Bedeutungslosigkeit, nein, so war das nicht! Die Entwicklung nach 1972 war durchaus positiv und erfreulich, mit vielen Starts in anderen Ländern verbunden, es gab großartige Wettkämpfe, an die ich mich gern zurück erinnere.

Als viele westliche Staaten die Spiele 1980 in Moskau boykottierten, insbesondere die Reiterspiele, hätte die DDR insbesondere im Dressur-Reiten gute Chancen auf vordere Plätze gehabt. Leider kam es nicht dazu. 1981 konnten wir allerdings bei Wettkämpfen auf der olympischen Anlage von 1980 starten.

Vielleicht als Resümee zum DDR-Dressur-Reitsport: Dort gab es einen hochklassigen, sehr ambitionierten Dressur-Reitsport. Wir haben aus wenig Möglichkeiten sehr viel gemacht, konnten Medaillen und vordere Platzierungen bei Olympia, WM und EM erringen. Wir halfen und unterstützten uns gegenseitig, versuchten, dass jeder Reiter sein für ihn passendes Pferd aus möglichst eigenen Beständen erhielt. In Westdeutschland hätte ich mir so eine Karriere gar nicht leisten können, wo im Reitsport doch alles privat und über Sponsoren lief. Jedenfalls denke ich an meine aktive Dressur-Zeit in der DDR gern zurück!“, meint Horst Köhler zum Dressur-Sport in der DDR auch nach 1972.

Dem Reitsport treu geblieben

Und wie ging es nach der sportlichen Karriere für ihn weiter? Dazu Horst Köhler: „Ich blieb dem Reitsport treu, wurde am Landgestüt in Neustadt/Dosse angestellt. Dort leitete ich bis 1995 die Außenstelle Potsdam für Dressurpferde und mit Abendwind nahm ich noch an einigen nationalen und regionalen Turnieren mit durchaus beachtlichen Erfolgen teil.“

Übrigens: Zuletzt nahm mit Andre Thieme (Plau am See) ein Wahl-Mecklenburger im Reitsport/Springreiten an den Olympischen Spielen in Tokyo teil. Andre Thieme wurde im Olympia-Jahr 2021 zudem Europameister im Einzel und Vize-Europameister mit dem deutschen Team, jeweils auf Chakaria.

M.Michels