Im Fokus Gillian Ladwig
Es ist eine amerikanische Erfolgsdisziplin in der Herren-Leichtathletik – das Stabhochspringen. Bereits der erste Olympiasieger der Neuzeit in dieser Disziplin war William Hoyt. 1896 in Athen war das. Danach folgten weitere 28 olympische Konkurrenzen und die Amerikaner verbuchten zusätzliche 18 Goldmedaillen für sich plus 27 weitere Medaillen.
Für die Deutschen sah es lange mau aus. Erst 1964 bei den Spielen in Tokyo wurde der deutsche Medaillen-Bann im Stabhochspringen bei Olympia gebannt. Wolfgang Reinhardt und Klaus Lehnertz jubelten über Silber und Bronze – hinter dem Amerikaner Fred Hansen. Vier Jahre später in Mexico-City ein ähnliches Bild: Silber (Claus Schiprowski) und Bronze (Wolfgang Nordwig) für zwei Deutsche – Gold für einen Amerikaner (Bob Seagren).
Das einzige olympische Gold für Deutschland im Stabhochsprung der Herren schaffte indes Wolfgang Nordwig vom SC Motor Jena 1972 in München – für die Amerikaner Bob Seagren und Jan Johnson blieben Silber und Bronze – und es gab auch viel Streit um das Material der Stäbe… Eine Geschichte für sich!
Danach war aus deutscher Sicht wieder olympische Medaillenflaute angesagt, ehe Andrei Tivontschik diese 1996 in Atlanta beendete. Und zuletzt holten 2012 in London Björn Otto (Silber) und Raphael Holzdeppe (Bronze) olympisches Edelmetall.
Olympisches Edelmetall strebt nun Gillian Ladwig vom Schweriner SC, Jahrgang 1998, aktuell nicht an, aber eine Teilnahme bei Olympia 2024 in Paris ist das große Ziel.
Der Schützling von Andreas Rändler, der früher auch Martina Strutz, unter anderem Athletin beim Hagenower SV, beim Schweriner SC, bei der SG Dynamo Schwerin und beim SC Neubrandenburg, betreute, die jeweils Silber bei den WM 2011 bzw. den EM 2012 gewann und bei Olympia 2012 in London (fünfte) und 2016 (Neunte) vordere Plätze erreichte, möchte in Paris erst einmal dabei sein…
Bereits 2023, im vorolympischen Jahr, gab es einige internationale Herausforderungen für Gillian…
Nachgefragt bei Gillian Ladwig, Bestleistung 5,72 Meter
Gillian über seinen Weg zum Stabhochspringen, die olympische Saison, eventuelle Vorbilder, seinen Alltag und besondere Wettkämpfe
„Gebe alles, um höher zu springen!“
Frage: Du bist ein vielseitiger Leichtathlet. Wann wusstest Du, die Leichtathletik ist DEIN Sport und wann wusstest Du genau, dass es letztendlich das Stabhochspringen sein muss?
Gillian Ladwig: Die Initiative, dass mich der Weg zur Leichtathletik führte, lag eher bei meinen Eltern. Und speziell ab Klasse sieben begeisterte mich zunehmend der Stabhochsprung. Mein heutiger Trainer Andreas Rändler „integrierte“ mich in seine Trainingsgruppe, obwohl ich seinerzeit - wie zu diesem Zeitpunkt an einem Sportgymnasium üblich - noch andere leichtathletische Disziplinen betrieb. Zwei Jahre später, ab Klasse neun, blieb ich dann „komplett“ beim Stabhochspringen. Von da an gab bzw. gebe ich alles, um höher zu springen.
Frage: Im letzten Jahr hattest Du einige Bewährungsproben… Wie lautet Dein Resümee im Hinblick auf das letzte, vorolympische Jahr 2023?
Gillian Ladwig: Das Jahr 2023 war für mich ein sehr intensives - mit vielen neuen Wettkämpfen, an denen ich teilnehmen durfte. So war ich unter anderem bei der Hallen-EM in Istanbul im März und der WM in Budapest im Sommer dabei. Zwar konnte ich bei internationalen Großereignissen noch nicht mein wahres Leistungsniveau abrufen, aber ich hoffe sehr, dass es mir dieses Jahr gelingt. Ich konnte mich mit den internationalen Elite-Wettkämpfen vertraut machen, auch mit der besonderen Anspannung, die diese Wettkämpfe mit sich bringen.
Frage: Welche Hürden auf dem Weg nach Paris gilt es nun für Dich zu meistern?
Gillian Ladwig: Es sind noch einige Hürden zu meistern. Nachdem ich mich im letzten Winter im Trainingslager am Knie verletzt hatte, konnte ich keine Wintersaison machen und habe mich stattdessen auf die Rehabilitation konzentriert. Mittlerweile ist jedoch alles wieder in Ordnung, aber die Praxis aus dem Winter fehlt mir natürlich.
Nach dem kürzlich durchgeführten Trainingslager in Belek beginnen nun Anfang Mai die Wettkämpfe, in denen es darum gehen wird, entweder die A-Norm von 5,82 Meter zu überspringen oder über die Welt-Rangliste zu den Spielen zu gelangen.
Allerdings haben wir in Deutschland noch drei weitere sehr starke Stabhochspringer (u.a. Bo Kanda Lita Baehre, Torben Blech und Oleg Zernikel), gegen die ich mich ebenfalls durchsetzen muss, weil nur drei Stabhochspringer mitfahren dürfen.
Frage: Wenn alles gemeistert, die Nominierung geschafft ist, was wäre dann Dein Ziel für Paris?
Gillian Ladwig: Ich werde mich in diesem Jahr mit dem Formulieren meiner Ziele zurückhalten, weil ich die Erfahrung machte, dass man sich so extrem unter Druck setzt, gewisse (große) Erwartungshaltungen auslöst. Ich möchte erst einmal Sprung für Sprung erfolgreich die Saison angehen und letztlich meistern.
Aber natürlich werde ich mein Bestes geben. Klar, am liebsten würde ich mich im olympischen Finale sehen…
Aktuell tue ich alles dafür, dass dieser Traum Realität wird.
Frage: Deutschland hatte schon einige Weltklasse-Stabhochspringer… Gibt es davon auch einige, die Dich besonders beeindrucken?
Gillian Ladwig: Es gibt wirklich viele großartige Springer, zu denen ich aufschaue, auch außerhalb Deutschlands. Allerdings nehme ich mir keinen konkreten Stabhochspringer mehr als komplettes Vorbild. Ich analysiere deren Stärken, versuche diese für mich selbst anzunehmen – sofern möglich. Ich probiere und versuche es zumindest.
Frage: Armand Duplantis ist derzeit das Maß aller Stabhochspringer-Dinge. Was zeichnet ihn aus Deiner Sicht aus?
Gillian Ladwig: Mondo ist eine Klasse für sich. Aus meiner Sicht ist er deswegen so gut, weil er damit groß geworden ist. Er hat also so viel Sprungerfahrung, wie wir alle erst vielleicht zum Ende unserer Karriere. Außerdem ist er „sauschnell“. Und das sind zwei sehr wichtige Faktoren, die er mit sich bringt.
Frage: Zurück zu Deinen Ambitionen… Wie sieht Dein Trainingsalltag, Dein Tagesablauf im Olympia-Jahr aus? - Was „fesselt“ Dich neben dem Sport, dem Stabhochspringen?
Gillian Ladwig: Mein Alltag wird durch den Sport bestimmt. Ich bin ja in der Sportförderung der Landespolizei M-V, daher kann ich mich im Sommer völlig auf den Sport konzentrieren. Das bedeutet speziell, dass ich ein- bis zweimal am Tag trainieren kann. Außerhalb der Saison gehe ich dann aber meinem Beruf als Polizist nach. Zeit für besondere Hobbys bleibt leider nicht. Ich mache zusätzlich die Sachen, die ich wirklich machen muss oder versuche, die knappe freie Zeit mal am Abend mit Freunden zu verbringen.
Letzte Frage: Von allen bisherigen Wettkämpfen… Was waren für Dich persönlich die schönsten und nachhaltigsten Erfolge?
Gillian Ladwig: Am nachhaltigsten waren für mich die Deutschen Meisterschaften im Sommer 2022, im Olympiastadion in Berlin. Dort bin ich 5,70 Meter gesprungen und habe meine Bestleistung in jenemJahr von 5,35 Meter auf 5,70 Meter gesteigert. Außerdem kam das so unverhofft, dass ich es zunächst kaum realisieren konnte. Ich bin damit irgendwie „in eine neue Dimension gewandert“.
Die WM 2023 in Budapest war ebenfalls sehr schön - weniger wegen des für mich eher suboptimalenWettkampfes, aber das ganze „Drumherum“ imponierte mir: die Trainingsmöglichkeiten, das Ambiente, das Wetter, die Stadt - einfach sehr viele Dinge gefielen mir dort.
Nicht zu vergessen – hinsichtlich nachhaltiger Wettkämpfe - sind die Straßen-Meetings. Dort springeich am liebsten. Und eines der schönsten findet jedes Jahr in Aachen statt. Auch an Aachen habe ich viele gute Erinnerungen!
Vielen Dank, alles erdenklich Gute für die olympische Saison und dann hoffentlich in Paris!
MM