Das Sportjahr 2022 ging zu Ende, wie es anfing. Krachend. Politisch. Emotional. Mit einem Schuss Doppelmoral. Während die Deutschen im Wintersport absahnten, auch in den nichtolympischen Sportarten respektable Ergebnisse erreichten, haperte es im sommerlichen Sport. Die Herren Fußballer sorgten dabei für eine faustdicke Negativ-Überraschung – nach dem Vorrunden-Aus bei der WM 2018, dem Achtelfinal-Aus bei der EM 2021, ebenfalls (und nicht zu vergessen) dem Vorrunden-Aus bei Olympia 2021 gab es Pleite Nr. 4 in Folge – bei der umstrittenen WM in Katar ging es auch bereits nach der Vorrunde gen Flieger in Richtung Heimat. Jedenfalls für einige, während andere in den Urlaub entschwanden.

Stark im Winter

Bei Winter-Olympia in Peking, politisch-medial wie die Fußball-WM in Katar aufgeheizt und durch Corona beeinflusst, überzeugten die Deutschen als zweitstärkste Sportmacht des Winters hinter Norwegen, wobei Rennrodler, Skeletoni und Bobfahrer mit dem Rest der Welt Schlitten fuhren. Rennrodlerin Natalie Geisenberger avancierte in Peking gar zur besten deutschen Winter-Olympionikin aller Zeiten. Auch die deutschen Paralympics-Starterinnen und -Starter konnten in China überzeugen – Platz sieben im Medaillen-Ranking. Die wirtschaftliche Supermacht China wurde sogar beste Winter-Paralympics-Nation, nachdem es bei Winter-Olympia zuvor zum dritten Platz im Medaillenspiegel reichte.

Corona und monatelang kein Ende

Bis weit in den Frühsommer beeinflussten noch Corona und die Corona-Maßnahmen den Sport auf negativste Weise, wovon die Olympioniken und Paralympioniken angesichts der strikten Kontrollen und Vorschriften ein eigenes Olympia-Lied singen konnten. Die Sportler aus aller Welt wurden eher als potenzielle Viren-Verbreiter betrachtet als Meister ihres (Sport-)Fachs. So fand Olympia und Paralympia unter klinisch-morbiden Bedingungen statt, wobei nicht nur China, sondern auch einige bekannte Gesundheits- bzw. Krankheitsmediziner, nicht zuletzt aus Deutschland, das stets als Schulmeister in Sachen Moral auftritt (und angesichts eigener Defizite am besten Zurückhaltung üben sollte) sowie das IOC den Löwen-Anteil hatten.

Krieg und Sport

Weit schlimmer als Corona und zunehmende soziale Konflikte war der Überfall Russlands auf die Ukraine vier Tage nach Ende der Olympischen Winterspiele und noch vor den Paralympischen Winterspielen. Was viele nicht für möglich hielten – angesichts der gemeinsamen Geschichte, gemeinsamer historischer Erfahrungen, gemeinsamer Wurzeln und familiärer Bindungen zwischen beiden Völkern – wurde Realität, zum Albtraum, mit schlimmen Auswirkungen auf andere Bereiche, wie Wirtschaft, Handel, Kultur und eben den Sport. Nicht alles, was seitdem über den Krieg gesagt und geschrieben wurde, entspricht den Realitäten, zumal Hintergründe ausgeblendet werden. Das unermeßliche Leid gerade auf ukrainischer Seite gibt Anlass zum Nachdenken: Wurde wirklich alles getan, um diesen Krieg zu verhindern? Wem nützt dieser Krieg – außer Putin – noch? Welche Verantwortung hat auch Deutschland für die Geschehnisse seit Ende Februar 2022?

Während die sportliche Infrastruktur der Ukraine zunehmend zerstört wurde bzw. wird, werden Athletinnen und Athleten aus Russland und Weißrussland, dem engen Verbündeten Russlands, von internationalen Wettkämpfen ausgeschlossen. Einige von diesen traten gegen den Krieg auf, nicht wenige schwiegen. Nur: Die Sportlerinnen und Sportler Russlands nur noch als Doping-Betrüger und Killer zu titulieren, ist so unsachlich wie falsch. Gerade die US-Amerikaner, die Deutschen aus Ost UND West, Briten, Franzosen oder Australier sollten in puncto Doping-Vergangenheit eh lieber vor der eigenen Haustür kehren. Und Killer – na ja, die meisten russischen Sportler versuchen eher den Dienst an der Waffe zu vermeiden.

Die Folgen für den russischen und weissrussischen Sport waren und sind indes immens: keine Starterlaubnis für die Winter-Paralympics 2022, für die World Games 2022, die Weltspiele in den nichtolympischen Sportarten, in Birmingham (USA), für die verschiedenen WM; EM und Weltcups in den einzelnen Sportarten. Im Fußball weigerten sich Polen wie Schweden im WM-Ausscheid gegen Russland anzutreten, am Ende wurde Russland auch dort gecancelt.

Die WM in der Akrobatik, im Gerät-Turnen, in der Rhythmischen Sportgymnastik, im Schwimmen, in der Leichtathletik, im Ringen, im Boxen, im Bogenschießen, im Fechten, in der Schwerathletik, im Sportschießen, im Modernen Fünfkampf, im Radsport, im Kanu-Sport, im Rudern, im Judo, im Handball, im Volleyball, im Basketball oder im Wasserball sowie im Wintersport (nicht zuletzt im Herren-Eishockey und Eiskunstlaufen), alles russische Erfolgssportarten, fanden ohne die Russen und Weissrussen statt. Die Qualität litt. Die eigenen Athletinnen und Athleten wurden so ebenfalls Opfer dieses Krieges, den Putin wollte. Für integre Sportlerinnen, wie Eiskunstlauf-Olympiasiegerin Anna Schtscherbakowa, die Awerina-Zwillingsschwestern in der Sportgymnastik oder Tennis-Ass Daniil Medwedew, ist es ein Desaster. Richtig schlimm, richtig traurig ist es jedoch für den ukrainischen Sport, der einige Opfer aufgrund der russischen Angriffe zu beklagen hat, so auch das elfjährige Turn-Talent Katja Dyachenko aus Mariupol.

Leider wird die Menschheit nicht klüger, der Krieg in der Ukraine ist nur einer von 41 Kriegen/Konflikten weltweit 2022. Ein Armutszeugnis für die Spezies Mensch. Der in diesem Jahr verstorbene Michail Gorbatschow, für den Freiheit, Menschlichkeit und Mitgefühl noch etwas bedeuteten, sagte einmal treffend: „Wir sind alle Passagiere an Bord des Schiffes Erde, und wir dürfen nicht zulassen, dass es zerstört wird. Eine zweite Arche Noah wird es nicht geben.“ Dem ist nichts hinzuzufügen!

Sportliches im Blickpunkt

Trotz Corona, trotz Kriegsleiden, trotz Inflations- und Energiekrise – dennoch gab es viel Sport.

Bei den bereits erwähnten World Games, den Weltspielen in 43 nichtolympischen Sportarten, wurde Deutschland mit 24 x Gold, 7 x Silber, 16 x Bronze – in Abwesenheit der noch 2017 in Wroclaw stärksten Nation, Russland.

In den olympischen Sommer-Sportarten gab es jedoch einige Enttäuschungen für die deutschen Athletinnen und Athleten bzw. konnten sie trotz eines gewissen Aufwärtstrends noch immer nicht mit den absoluten Top-Nationen mithalten. So gab es bei der Leichtathletik-WM mit nur einmal Gold, einmal Bronze ein ziemliches Desaster. Bei den Ringer-WM in in Belgrad gab es für Schwarz-Rot-Gold nichts zu holen. Und in Budapest, bei den Welt-Titelkämpfen im Langstrecken-Schwimmen, Synchron-Schwimmen, Becken-Schwimmen, im Wasserspringen und im Wasserball, schaffte das deutsche Team immerhin 2 x Gold, 5 x Silber, 3 x Bronze. Im Gerät-Turnen – die WM wurde in Liverpool ausgetragen – durfte nur über einmal Silber gejubelt werden. Stärkste Nation dort jeweils – die USA, die in der Leichtathletik zu 33 Medaillen, darunter 13 x Gold, im Ringen zu 15 Medaillen, darunter 7 x Gold, im Schwimmen/Wasserspringen/Wasserball zu 49 Medaillen, darunter 18 x Gold, und im Gerät-Turnen zu 8 Medaillen, darunter 3 x Gold, kam.

In Kairo fanden 2022 unter anderem die WM im Sportschießen (Top: China 26 Medaillen, darunter 12 x Gold / Deutschland 11 Medaillen, darunter 4 x Gold), im Fechten (Top: Frankreich 8 Medaillen, darunter 4 x Gold / Deutschland 1 x Silber) und im Modernen Fünfkampf (Top: Korea 4 Medaillen, darunter 2 x Gold / Deutschland 1 x Bronze) statt - mit Licht und Schatten für die deutschen Teams.

Im Kanu-Rennsport in Dartmouth gehörten die deutsche Akteure zu den erfolgreichsten – in den olympischen wie nichtolympischen Disziplinen erkämpfte Deutschland 14 Medaillen (Die gebürtige Schwerinerin Sophie Koch schaffte Silber, zusammen mit Sebastian Brendel/KC Potsdam, im Mixed Canadier-Zweier über 500 Meter!), darunter 2 x Gold (am besten: Spanien mit 4 x Gold, 2 x Silber, 2 x Bronze) und im Para-Kanu holte das deutsche Team 1 x Gold, 2 x Bronze (Top: Großbritannien 10 Medaillen, darunter 5 x Gold). Bei den WM im Rudern in Racice enttäuschte die deutsche Flotte hingegen – nur 5 Medaillen, darunter 1 x Gold. Großbritannien war hier mit 12 Medaillen, darunter 7 x Gold die Nummer eins. Bei den weltmeisterlichen Wettkämpfen im Kanu-Slalom in Augsburg dominierten hingegen die deutschen Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit 9 Medaillen (5 x Gold).

Hoch zu Ross sind die deutschen ebenfalls weiter eine Macht. Bei den Weltreiterspielen in Herning gab es 6 Medaillen (2 x Gold) und bei den WM im Vielseitigkeitsreiten und im Gespann-Fahren in Pratoni dazu 4 Medaillen (1 x Gold). Die dänischen Gastgeber waren in Herning die großen Gewinner – mit 10 Medaillen (5 x Gold).

Auch in die Pedale konnten die Deutschen 2022 kräftig, konzentriert und schnell treten. Die WM-Bilanzen 2022 in den einzelnen Rad-Sportarten kann sich dabei sehen lassen: 1 x Gold, 1 x Silber bei den Mountainbike-WM in Les Gets (Top: Frankreich 12 Medaillen, 5 x Gold), 3 x Gold, 3 x Silber, 1 x Bronze bei den Bahnradsport-WM in Saint-Quentin-en-Yvelines (Top: Niederlande 10 Medaillen, 4 x Gold / Die Dassowerin Lea Friedrich schaffte jeweils Gold im Teamsprint bzw. Keirin und Silber im Sprint!) und 1 x Gold, 1 x Silber, 3 x Bronze bei den Straßen-Radsport-WM in Wollongong (Top: Großbritannien 5 Medaillen, 3 x Gold).

Weitere spannende Welt-Titelkämpfe gab es 2022 zudem im Taekwondo in Guadalajara (Top: Mexiko 6 Medaillen, 3 x Gold / Deutschland 1 x Bronze), im Tischtennis (Team-Wettkämpfe) in Shengdu (Top: China 2 x Gold / Deutschland 1 x Silber, 1 x Bronze), in der Rhythmischen Sportgymnastik in Sofia (Top: Italien 9 Medaillen, 6 x Gold / Deutschland 5 Medaillen, 1 x Gold), im Frauen-Boxen in Istanbul (Top: Türkei 7 Medaillen, 5 x Gold) und im Judo in Taschkent (Top: Japan 13 Medaillen, 6 x Gold / Deutschland 1 x Silber, 1 x Bronze).

Natürlich wurde 2022 auch in Wimbledon wieder Tennis gespielt, wobei Jelena Rybakina (Kasachstan) bei den Frauen und Novak Djokovic (Serbien) bei den Herren die Einzel-Siege erkämpften. Bei der Triathlon-WM-Serie 2022 gingen die Titel indes an Flora Duffy (Bermudas) und Leo Bergere (Frankreich). Weltmeisterlicher Volleyball-Sport wurde hingegen bei den Frauen in Polen/in den Niederlanden (Siegerinnen: Serbien) und bei den Herren in Polen/in Slowenien (Sieger: Italien) geboten. Max Verstappen, in Belgien geboren und für die Niederlande startend, raste dazu in der Formel 1 zu seinem zweiten Weltmeister-Titel nach 2021. Bei den European Championships in München in neun Sportarten stürmte dagegen Deutschland mit 26 x Gold auf Rang eins im ominösen Medaillenspiegel.

Im Wintersport, bei den WM 2021 / 2022, schafften die deutschen Starterinnen und Starter, wie auch bei Olympia in Peking, Herausragendes - mit den Schlitten (Bob, Skeleton, Rennrodeln) 10 x Gold, 11 x Silber, 8 x Bronze und mit den Skiern (Alpin/Nordisch/Biathlon/Freestyle) 3 x Gold, 8 x Silber, 4 x Bronze.

Doch nicht nur der große Sport und große Medaillen standen 2022 im Fokus. Trotz aller Widrigkeiten wurde der Sport auch in der Landeshauptstadt zelebriert. Die Jugendsportspiele im Sommer waren dabei ein Highlight. Insgesamt gibt es in der Landeshauptstadt M-V 105 Vereine mit 17.093 Mitgliedern, die Angebote in über 60 Sportarten bieten. Trotz Corona bzw. der Corona-Maßnahmen, trotz der Folgen des Ukraine-Krieges, trotz weltweiter Konflikte und der Energiekrise sowie steigenden Preisen – der Sport lebt auch in Schwerin!

M.Michels