© GES / Rheinbrüder Karlsruhe

Ein ereignisreiches, emotionales Sportjahr ging zu Ende: Olympische und Paralympische Winterspiele in Peking, Fußball-WM in Katar, World Games in Birmingham (USA), Weltmeisterschaften, Weltcups und Europameisterschaften in olympischen wie nichtolympischen Sportarten – das alles war 2022! 

Aber „normal“ war im letzten Jahr wenig, der Sport trat angesichts immenser Probleme in den Hintergrund. Corona bzw. Corona-Maßnahmen bestimmten auch 2022 noch immer das tägliche und sportliche Leben. Mehr als 40 Kriege und Konflikte weltweit, insbesondere der Ukraine-Krieg, offenbarten, dass die Menschheit aus der Geschichte nur wenig lernte. Immer mehr Menschen sind daher weltweit auf der Flucht, viele kamen auch nach Deutschland. Eine gewaltige Herausforderung für die gesamte Gesellschaft! Und nicht zuletzt: Die Inflations- plus Energiekrise zehren nicht nur am Geldbeutel, sondern auch an den Nerven.

Von diesen Negativ-Faktoren blieb auch der Sport nicht verschont, der immer intensiver politisiert wird…

Trotz allem: Es gab auch 2022 große sportliche Momente, ob regional, national und international. In Schwerin ebenfalls wie weit darüber hinaus! Und das noch junge 2023 ist bereits wieder ein vorolympisches Jahr - Paris 2024 ist bereits in Sichtweite.

 Auf Medaillen-Jagd war und ist auch die 25jährige Schweriner „Canadierin“ Sophie Koch (Verein: Rheinrüder Karlsruhe), die bei den WM 2022 Silber und bei den EM 2022 Bronze erkämpfte…

Wie bewertet Sophie das Sportjahr 2022 – persönlich wie objektiv?!

 

Sophie über Vergangenes und Kommendes im Kanusport und darüber hinaus

"Ziel ist Paris 2024..."

Frage: Ein schwieriges Sportjahr geht zu Ende. Was waren für Dich als „Canadierin“ die Highlights?! Wie lautet Dein persönlichen Rückblick zu den WM und EM im Kanu-Rennsport 2022?

Sophie Koch: Mein persönliches Highlight war die EM in München. Zwar ist die WM als höherwertig anzusehen, dennoch war es bei der EM etwas ganz Besonderes, vor heimischen Publikum paddeln zu dürfen. Außerdem wurde die EM im Gegensatz zur WM medial deutlich besser präsentiert. Dadurch konnten auch Freunde und Familien-Mitglieder, die nicht nach München kommen konnten, durch den Livestream und Fernsehen alles mitverfolgen. Bei so einer Unterstützung macht ein Wettkampf einfach viel mehr Spaß. 

Obwohl, wie erwähnt, das Jahr nicht so einfach war, war es umso schöner, dass meine Zweier-Partnerin Lisa Jahn und ich die Bronzemedaille im Canadier-Zweier über 200 Meter bei den EM erzielen konnten. Denn: Als wir im Ziel waren, sah es für mich so aus, als wäre es wieder "nur" der vierte Platz gewesen. - Ein schöner Erfolg war 2022 zudem WM-Silber im Mixed-Canadier-Zweier über 500 Meter mit Sebastian Brendel. 

Frage: 2023 ist schon wieder ein vorolympisches Jahr – Paris 2024 ruft. Welche Ziele hast Du für 2023? Wie sieht Dein derzeitiges Training aus? Und: Kennst Du die olympische Strecke in Paris bereits?

Sophie Koch: Meine Ziele für 2023 sind einerseits eine erfolgreiche Nominierung für die Nationalmannschaft. Die Qualifizierung findet dazu im April in Duisburg statt. Andererseits will ich natürlich wieder im Zweier knien dürfen - und das am liebsten mit meiner bisherigen Zweier-Partnerin Lisa Jahn. 

Dann möchte ich die Wettkämpfe bei den Weltcups und bei der heimischen WM in Duisburg ebenfalls erfolgreich meistern. Dort gilt es, den Quotenplatz zu holen, um bei den Olympischen Spielen in Paris 2024 an den Start gehen zu dürfen. 

... Die Strecke in Paris kenne ich noch nicht! Aber dafür ist noch genug Zeit, um diese kennenzulernen. 

Frage: Das Jahr 2022 war ein sehr schwieriges Sportjahr. Es gab extreme politische Diskussionen zu den Winterspielen in Peking, der Fußball-WM in Katar oder zur Frauen-Box-WM in Istanbul… Gerät der Sport zu sehr in die Mühlen der Politik? Tritt Deutschland nicht zu oft schulmeisterlich auf, um an Ende doch als Pharisäer dazu stehen? Wie ist in dieser Problematik Deine Meinung?

Sophie Koch: Krieg in Europa, Corona und Klimawandel, steigende Preise in Deutschland, sportpolitische Desaster von Peking, Katar bis Istanbul... Ja, in der Tat befinden wir uns in einer national sowieso international politisch schwierigen Zeit. Dass der Sport dabei in die Mühlen der Politik gerät, ist für mich leider keine Überraschung. Sport ist "irgendwie und irgendwo" immer politisch, auch wenn er es idealerweise nicht sein sollte. Man darf nicht vergessen, dass wir Athletinnen und Athleten bei internationalen Wettkämpfen unsere jeweiligen Staaten repräsentieren und unter seiner Flagge starten.

Meiner Meinung nach sollte man immer bemüht sein, den Sport so weit wie möglich von der Politik fernzuhalten, aber das ist nicht immer so einfach. In vielen Punkten ist es einfach ein heikles Thema. Russische Sportlerinnen und Sportler dürfen ja auch nicht an den Start, weil sie eben Russland repräsentieren. Und das ist mit dem Angriffskrieg auf die Ukraine auch nachvollziehbar - allerdings können die Athleten nichts dafür. 

Um auf die Frage allerdings allumfassend antworten zu können, würde es allein ein Interview zu diesem speziellen Thema erfordern...

Frage: Nachgehakt bezüglich des Ausschlusses russischer Sportlerinnen und Sportler... Eine „richtige“ Entscheidung?!

Sophie Koch: Es ist schwer, dieses mit "richtig" und "falsch" zu beantworten. Ich glaube, es gibt kein "richtig" oder "falsch". Es ist eher die Frage, zu welcher Rechtfertigung man für so einen Schritt tendiert.  Sport soll nicht politisch sein - also ist es "falsch"?  Aber soll Russland sich weiter repräsentieren lassen, als wäre nichts gewesen? 
Wenn ich mir vorstellen würde, ich müsste das entscheiden, dann hätte ich dazu tendiert, russische und weißrussische Sportler starten zu lassen - aber unter der Voraussetzung, dass sie unter neutraler Flagge an Wettbewerben teilnehmen können. Damit würde Russland nicht wie im vorherigen Maße repräsentiert werden - und die Athleten würden nicht bestraft, nur weil sie aus Russland kommen.

Frage: Zurück zum Sportlichen… Wie beurteilst Du die Entwicklung im Frauen-Canadier-Bereich, der ja 2021 in Tokyo erstmals olympisch war? Wer sind für Dich die größten Konkurrentinnen in der Zukunft?

Sophie Koch: Der Bereich entwickelt sich immer weiter. Die größte Konkurrenz kommt aus Kanada, China, Ungarn, der Ukraine und ggf. aus Russland bzw. Weissrussland.

Frage: Wie ist Deine Meinung zum Stellenwert des Kanu-Rennsportes im allgemeinen wie medialen Interesse? Was müsste in puncto TV-Übertragungen noch besser werden?

Sophie Koch: Der Stellenwert des Kanu-Rennsports ist medial wirklich sehr mau. Man könnte viel, viel mehr machen. Die Rennen sind spannend, wir haben Abwechslung durch unterschiedliche Strecken und unterschiedlichen Disziplinen. Außerdem ist Kanu-Rennsport DER Medaillenholer bei Olympischen Spielen für Deutschland. Kanu verdient weitaus mehr Aufmerksamkeit.  Die WM in Kanada 2022 wurde nicht mal nach Deutschland übertragen. 

Die einzigen TV-Übertragungen, die ich wirklich gut fand, waren die der EM 2022 und die der Finals 2021. Aber es fehlt einfach die Konstanz. Es reichen nicht zwei gute Übertragungen. Wir brauchen mehr davon, um uns präsentieren zu können und in der Medienlandschaft Fuß fassen zu können. 

Frage: Wann wird man Dich in Schwerin auch einmal in einem Drachenboot sehen? Immerhin ist ja Schwerin die Hauptstadt des deutschen Drachenbootsportes…
Sophie Koch: Ich glaube, das wird wohl erst passieren, wenn ich meine leistungssportliche Karriere beende. Für den Drachenbootsport ist einfach keine Zeit, vor allem nicht vor Olympia. 

Letzte Frage: Was macht Dein Psychologie-Studium in Berlin?

Sophie Koch: Alles "im grünen Bereich"! ;)

Vielen Dank und alles erdenklich Gute für das Sportjahr 2023!

Die Fragen stellte: M.Michels