Interview mit der Kunsthistorikerin Dr. Christina May

Boxsport. Das war, das ist aktuell. Gerade boxten fast 300 – genau 201 – Faustkämpferinnen und Faustkämpfer aus 81 Nationen bei den 32.Olympischen Spielen in Tokyo um 13 Goldmedaillen. Das deutsche Trio Adine Apetz (Weltergewicht), Hamsat Shadalov (Federgewicht) und Ammar Abduljabbar (Schwergewicht) konnte zwar kein Edelmetall gewinnen, hielt aber die Fahne der früheren Boxhochburg Deutschland im olympischen Ring hoch. Aus M-V waren immerhin Kampfrichterin Susann Köpke (Rostock) und Ringärztin Dr. Angelika Fischer (Schwerin) im Einsatz.

Aber M-V, speziell Schwerin, hat seit mehr als 60 Jahren eine olympische Tradition im Boxsport. Boxen ist sogar 1920 aus dem Sportangebot in Mecklenburg und Vorpommern nicht mehr wegzudenken.

Auch heute feiert der Boxsport in M-V, ebenfalls in Schwerin, immer noch Erfolge, deren Nachhaltigkeit es auszubauen und zu sichern gilt.

Tradition mit Modernität verbinden… Das gilt dabei insbesondere für die Ausstellung „Alte Meister, Junge Meister. Traktor Schwerin und die Kunst des Boxens.“, die vom 15. August 2021 bis 21. November 2021 zu sehen ist - dank der Engagements der Kunsthistorikerinnen Dr. Christina May und Antje Schunke, Leiterin des Schleswig-Holstein-Hauses Schwerin.

Was wird nun in der Vorstellung zu sehen sein?! Nachgefragt bei Frau Dr. Christina May:

 Dr. Christina May über die Idee, Inhalte und Schwerpunkte der Ausstellung

"Ausstellung und Begleitbuch verbinden Kunst, Sportfotografie mit der Geschichte des SC Traktor Schwerin"

Frage: Eine Box-Ausstellung in der Boxhochburg Schwerin, dazu ein Begleitbuch… Wer hatte die Idee? Vor allem: Was werden die Schwerpunkte der Ausstellung sein?

Dr. Christina May: Die Ausstellung und das Buch verbinden Kunst, Sportfotografie mit der Geschichte des SC Traktor Schwerin, aber auch aktuelle Sportlerinnen und Sportler kommen zu Wort.

Das Projekt ist dabei immer weiter gewachsen: Vor etwa zwei Jahren kam Antje Schunke, die Leiterin des Kulturforum Schleswig-Holstein-Haus Schwerin, auf mich zu. Sie wusste, dass ich in meiner Freizeit boxte und wollte Fotografien zu dem Thema zeigen.

Mich hatten die Plakate aus den 1980er Jahren in der alten Schweriner Boxhalle am Lambrechtsgrund beeindruckt. Dort hängt das Design für Boxveranstaltungen auf der ganzen Welt, in Japan, der Mongolei oder auf Kuba und eben in Schwerin. Daraus entwickelte sich die Idee zu einer ganzen Ausstellung zum Thema Boxen.

Einerseits habe ich Künstlerinnen und Künstler angesprochen, die speziell dazu arbeiten und eigens für die Ausstellung Installationen entworfen haben.

Andererseits sind auch die Geschichten hinter den Boxplakaten so interessant gewesen, dass ich begonnen habe, diese mit Zeitzeugeninterviews und Archivrecherchen aufzuarbeiten. Frau Schunke und ich haben einen Aufruf in der Schweriner Volkszeitung gestartet und viele Schwerinerinnen und Schweriner haben uns mit ihren persönlichen Erinnerungen und Zeitdokumenten unterstützt. Auch haben wir uns mit aktiven Sportlerinnen, Sportlern und Trainern sowie ehemaligen erfolgreichen Athleten unterhalten.

Dr. Tim Neumann aus Leipzig hat unseren Katalog mit drei Textbeiträgen zur Boxgeschichte der DDR unterstützt. Damit hat er das Projekt mit soliden Fachwissen zum historischen Hintergrund untermauert.

Frage: Die Ausstellung wird ja von weiteren Veranstaltungen ergänzt… Welche werden das sein?

Dr. Christina May: Wir werden Workshops mit ehemaligen und aktiven Sportlern und Trainern veranstalten, so am 26.8.2021, um 16 Uhr, sowie am 16.9.2021 und am 14.10.2021.#

Die Workshops sind offen für alle und inklusiv, um viele verschiedene Menschen zusammenzubringen. Die Aktion Mensch fördert uns dabei. Sie unterstützt auch einen umfangreichen Audioguide, der einen besseren Zugang für Sehbeeinträchtige bietet.

Am 14. Oktober wird die Workshop-Veranstaltung speziell um Frauen und Boxsport bzw. Kampfsport gehen, ein viel diskutiertes Thema. Das Symposium ist in Vorbereitung und wir hoffen viele Leute, nicht nur Frauen, zum Austausch anzuregen.

Zur Kunst werde ich am 9.10. um 17 Uhr gemeinsam mit der Kunstwissenschaftlerin Dr. Karin Rase eine lockere Gesprächsrunde mit Bildern aus der Kunstgeschichte veranstalten.

Weitere Veranstaltungen sind geplant, zum Beispiel auch ein Rundgang mit Schweriner Bürgerinnen und Bürgern, die ihre Erinnerungen in der Ausstellung austauschen. Der kritische Blick auf den Sport in der DDR darf zudem nicht fehlen.

Mit Blick auf die Corona-Entwicklungen tasten wir uns langsam an die Veranstaltungen heran. Aktuelles gibt es immer auf der Webseite www.schleswig-holstein-haus.de

Frage: Gab es einige Hürden zu nehmen, bis die Ausstellung realisiert wurde?

Dr. Christina May: Die Arbeitsbedingungen während des Lockdowns waren zugegebenermaßen nicht einfach. Die Schließungen, die den gesamten Kulturbereich betreffen, sorgten für eine große Unsicherheit, doch wir haben einfach weiter geplant. Zeitzeugeninterviews habe ich auf Distanz geführt. Der Zugang zu bestimmten Archiven war jedoch nicht möglich, weshalb auch noch viel Material auf die Erschließung wartet.

Allerdings ist für die umfangreiche Erschließung der Geschichte des Boxsports in Schwerin und in Mecklenburg-Vorpommern ein sehr viel größeres Projekt notwendig. Unsere Publikation und Ausstellung wurde mit viel ehrenamtlichen Engagement gestemmt und konzentriert sich auf bestimmte Schwerpunkte.

Viele Menschen werden erst durch die Ausstellung auf das Projekt aufmerksam und die Materialsammlung wächst weiterhin, weshalb es noch einige Leerstellen gibt und sich eine Fortsetzung der Initiative, auch mit weiteren Forscherinnen und Forschern, sicherlich lohnt.

Vielen Dank und viel Erfolg mit der Ausstellung!

Marko Michels