Paralympics Resümee von Marko Michels

 

Winter-Paralympics 2022 im Zeichen des Ukraine-Krieges, der Corona-Pandemie und weltweiter Krisen

 

Die XIII.Winter-Paralympics seit der Premieren-Veranstaltung 1976 standen wahrlich unter keinem guten Stern. Die Corona-Pandemie, mehr als 40 Kriege/Konflikte weltweit, dazu der heimtückische Angriffskrieg Russlands mit weissrussischer Unterstützung auf die Ukraine, und vielfältige Diskussionen über die weitere Zukunft der Olympischen und Paralympischen Spiele warfen Schatten auf das sportliche Winter-Paralympics-Geschehen in Peking.

Kriegsgeschehen in olympischen und paralympischen Zeiten

Russische und weissrussische Athletinnen und Athleten, die einen Krieg im Nachbarland Ukraine ablehnten, wurden ebenfalls zu Geiseln eines Despoten, der auch den friedvollen Sport zerstörte.

Was in der Ukraine den Menschen angetan wird, ganz gleich welcher Nationalität, ist ein Verbrechen. Nur: Wie konnte es so weit kommen? Was haben selbst ernannte Demokratinnen und Demokraten im Westblock, speziell in Deutschland, noch spezieller in M-V dazu beigetragen, dass die Lage so eskalierte? Nicht wenige haben das Auftreten deutscher Politikerinnen und Politiker der letzten 30 Jahre in sehr guter Erinnerung!

Von oben herab wurde auf Ukrainer und Russen geschaut, diese auch so behandelt. Einige Länder freuen sich doch klammheimlich, dass es zu diesem Konflikt kam! Konkurrenten werden ausgeschaltet, unliebsame Mitbewerber in Mitleidenschaft gezogen. Es geht um (geopolitische) Macht, Geld und Rohstoffe. Wieder einmal!

Wo bleibt das friedliche Miteinander?

Dass Russen, Ukrainer und Weissrussen mit der "Kiewer Rus" eine gemeinsame Wurzel haben, wird völlig ignoriert. Die Rus, ehemalige Wikinger, kamen einst aus Nordeuropa, siedelten sich in Kiew an. Seitdem durchlebten Russen, Ukrainer und Weissrussen sehr wechselhafte Zeiten – im positiven wie im negativen Sinne. Durch die mutige Glasnost- und Perestroika-Politik von Michail Gorbatschow vollzogen sich in der ehemaligen Sowjetunion gewaltige Veränderungen, welche zur Unabhängigkeit und Souveränität der fünfzehn Sowjetrepubliken bis 1991 führten. Für Gorbatschow waren das Selbstbestimmungsrecht, die Souveränität und die Freiheit der Völker der früheren Sowjetunion (sowie der Völker des damaligen "Ostblocks" insgesamt) ein nicht verhandelbares, kostbares Gut.

Die Ukrainerinnen und Ukrainer entschieden sich im Dezember 1991 in einem Referendum - fast 93 Prozent der ukrainischen Bevölkerung, darunter Ukrainer und die dort lebenden Russen und Weissrussen - für eine eigenständige, souveräne Ukraine, was auch von der damaligen politischen Administration in Russland anerkannt wurde. Mit dem Krieg gegen die Ukraine hat Putin die Politik des Friedens und des Ausgleichs von Gorbatschow und Jelzin verraten. Traurig. Brutal. Nicht hinnehmbar.

Eine "richtige" Entscheidung - leider

Als am 4.März 2022 die Winter-Paralympics in Peking begannen, starben bereits Tausende Unschuldiger in der Ukraine. Schweren Herzens schloss das Internationale Paralympische Komitee die Sportlerinnen und Sportler Russlands und Weissrusslands – nach emotionalen Debatten – von den Spielen aus. Eine harte, aber leider richtige Entscheidung! Nur: Auch russischen und weissrussischen Athletinnen und Athleten sollte international eine Perspektive geboten werden. Und den ukrainischen Sportlerinnen und Sportler muss jede Hilfe zuteil werden!

Auch die Sportlerinnen und Sportler aus Russland bzw. Weissrussland, nicht wenige haben familiäre und freundschaftliche Beziehungen in die Ukraine, wollten diesen Krieg nicht. Sie müssen, wie ebenfalls weitere russische Athletinnen bzw. Athleten bei anderen Sportveranstaltungen und in anderen Sportarten, für eine Kriegspolitik ihrer politischen Administrationen büßen. Die russischen wie weissrussischen Athletinnen und Athleten fehlten bei diesen Spielen, denn in der Vergangenheit sorgten diese für herausragende Leistungen und vorbildliches Auftreten. Nicht wenige sportliche Resultate in Peking wurden so verzerrt, was nichts an den ausgezeichneten Leistungen der in Peking startenden Sportlerinnen und Sportler aus aller Welt ändert.

Inspirierender Sport in Peking

Ja, es gab durchaus - und trotz allem - inspirierenden Sport in Peking vom 4.März bis 13.März. Rund 570 Sportlerinnen und Sportler mit Handicaps aus 46 Ländern wetteiferten in sechs Sportarten um die 78 Goldmedaillen. Darunter war auch ein kleines, aber feines deutsches Team mit 17 Sportenthusiastinnen und Sportenthusiasten, für die ihr Handicap kein Hindernis, sondern eher Ansporn, Kampfgeist bzw. Motivation darstellt.

Erfolgreiche Teams und erfolgreiche Sportlerinnen bzw. Sportler

China, schon bei den Olympischen Winterspielen im Februar bestens dabei und Erster im ominösen Medaillenspiegel, „sahnte“ überraschend viel Edelmetall daheim ab. Bei den letzten Winter-Paralympics 2018, beispielsweise, hatte das große China lediglich eine Goldmedaille (im Rollstuhl-Curling) erkämpft. In Peking wurden es derer 18 (plus 20 bzw. 23 Silber- und Bronzemedaillen). Ein ganz, ganz großes Kompliment gilt jedoch dem ukrainischen Team. Trotz der Toten, Verletzten in der Heimat, trotz der Bomben und Zerstörungen dort, trotz der Angst um Angehörige und Bekannte zeigten die ukrainischen Athletinnen und Athleten phantastische Leistungen und konnten Platz zwei im Medaillen-Ranking belegen! Großartig!

Großartiges – angesichts der Umstände und des Generationswechsels im paralympischen deutschen Wintersport – vollbrachte ebenfalls Team D. Klasse, was Athletinnen und Athleten wie zum Beispiel Anna-Lena Forster, Linn Kazmaier, Leonie Maria Walter oder Marco Maier leisteten! Diese paralympische Youngster zeigten sich cool, selbstbewusst und erstaunlich reif und ließen alle Kritiker, die vor den Spielen einen Niedergang des paralympischen winterlichen Hochleistungssportes „Made in Germany“ prophezeiten, erblassen.

Mit viermal Gold, achtmal Silber und siebenmal Bronze wurde das deutsche Team in Peking fünftbeste Nation in der Medaillenwertung.

Große Momente bei den Winter-Paralympics 2022

Ansonsten sorgten viele Athletinnen und Athleten für große Momente, so die aus der Ukraine stammende und für die USA startende Oksana Masters im Biathlon/Skilanglauf. Oder das Sledge-Hockey-Team aus den USA um Jen Lee, das im Finale Kanada mit 5:0 bezwang. Im Rollstuhl-Curling triumphierte wie schon 2018 China. Im Finale bezwang das Team um Skip Wang Haitao die Schweden um Skip Viljo Petersson-Dahl klar mit 8:3, nachdem die chinesische Mannschaft in der Vorrunde dem gleichen Gegner noch mit 1:5 unterlegen war.

Stark präsentierten sich bei den Alpinen unter anderem – neben Deutschlands Anna-Lena Forster – die Japanerin Momoka Muraoka, der Österreicher Johannes Aigner, der Norweger Jesper Pedersen, der Franzose Arthur Bauchet, der Italiener Giacomo Bertagnolli, die Slowakin Henrieta Farkasova und die Chinesin Zhang Mengqiu. Zur besten Alpin-Nation in Peking 2022 avancierte Österreich mit fünfmal Gold, fünfmal Silber und zweimal Bronze vor China (!) mit dreimal Gold, neunmal Silber und siebenmal Bronze.

Im Skilanglauf war in Peking überraschend China mit siebenmal Gold, sechsmal Silber und fünfmal Bronze die Top-Nation – mit Athletinnen und Athleten, wie Yang Hongqiong und Zheng Peng. Große Erfolge feierten im Skilanglauf ebenfalls die Kanadierin Natalie Wilkie und Brian McKeever.

In der Mixed-Staffel über 4 x 2,5 Kilometer triumphierten die USA mit Oksana Masters, Sydney Peterson, Daniel Cnossen und Jake Adicoff, während in der offenen Staffel über 4 x 2,5 Kilometer die Ukraine mit Dmytro Suiarko, Grigorii Vovchynskyi, Vasyl Kravchuk und Anatalii Kovalevskyi erfolgreich blieb.

Im Biathlon beeindruckten zudem die ukrainischen Athletinnen und Athleten um Oksana Shyshkova (gleichzeitig eine excellente Skilangläuferin) und Vitaliy Lukyanenko mit achtmal Gold, neunmal Silber bzw. fünfmal Bronze und konnten in drei Biathlon-Wettbewerben sogar Dreifach-Erfolge feiern. Auch im Biathlon war China mit viermal Gold, zweimal Silber und sechsmal Bronze sehr stark.

Im Snowboarden hatte das chinesische Team eine Vormachtstellung und schaffte dreimal Gold, dreimal Silber und viermal Bronze. Zu goldenen Ehren kamen im Snowboarden unter anderem Brenna Huckaby aus den USA, Matti Suur-Hamari aus Finnland, Sun Qi aus China und Cecile Hernandez aus Frankreich.

Neunzehn Nationen errangen bei den Winter-Paralympics 2022 Medaillen-Ränge, darunter ebenfalls Neuseeland und Australien. Fünfzehn Länder jubelten über eine oder mehrere Goldene.

Wenig kameradschaftliche, aufrichtige und friedvolle Diskussionen

Nicht nur am Rande der Winter-Paralympics wurden jedoch mehr oder minder deutliche Diskussionen über den zunehmenden Gigantismus auch der Paralympics, über medizinisches und technisches Doping und über eine bessere Klassifizierung laut. Einige Funktionäre und "Experten" sprachen sogar von "Klassifizierungsdoping", vor allem in Richtung China. Nur: Entweder man legt Belege, Beweise bzw. stichhaltige Indizien vor und hat seriöse Zeugen an seiner Seite oder man übt sich in höflicher Zurückhaltung. Mit deutlichen Worten... Entweder man nennt "Ross und Reiter" oder man schweigt. Alles andere ist üble Nachrede, vergiftet die sportliche Atmosphäre, trägt nicht zum friedlichen Wettkampf bei und sorgt dafür, dass sich immer mehr Sportfans ebenfalls von den Paralympics abwenden.

Heldinnen und Helden gibt es nicht nur im Hochleistungssport...

Und eines sollte zudem unterbunden werden - die inszenierte Heldinnen- und Helden-Verehrung im Hochleistungssport! Vorbilder gibt es wahrlich nicht nur im olympischen und paralympischen Sport. Viele Menschen, insbesondere mit multiplen Handicaps, sind insbesondere in anderen Berufen tatkräftig, engagiert, willensstark und kompetent - und haben sogar Tätigkeiten, die nicht nur der Selbstverwirklichung nützen, sondern für die gesamte Gesellschaft hilfreich sind.

Wenn der olympische und paralympische Sport so negativ ist - Stichworte Doping in medizinischer wie technischer Hinsicht, Betrug, Politisierung und Gigantismus - dann sollte man derartige Großereignisse künftig nicht mehr organisieren. Oder man sorgt weit im Vorfeld der Spiele dafür, dass Abhilfe geschaffen wird. Ansonsten überlagern diese Negativ-Diskussionen von Sportfunktionären, "Journalisten" und "Sportpolitikern" die Wettkämpfe!

Hoffnung auf Frieden und Verständigung

Es bleibt zu hoffen, dass allerorten bis zu den sommerlichen Spielen in Paris 2024 und den winterlichen Spielen 2026 in Cortina d`Ampezzo und in Mailand der Frieden gewinnen möge und wirklich ALLE Athletinnen und Athleten freundschaftlich, kameradschaftlich und aufrichtig miteinander um die bestmöglichen Leistungen wetteifern werden.

Nie vergessen: „Wir alle sind Passagiere an Bord des Schiffes Erde, und wir dürfen nicht zulassen, dass es zerstört wird. Eine zweite Arche Noah wird es nicht geben.“

Der das sagte, ist übrigens ein bereits erwähnter Russe – Michail Gorbatschow! Der Mann, der in Aufrichtigkeit und Friedensliebe auch den Ukrainerinnen und Ukrainern die Unabhängigkeit und Freiheit ermöglichte!

Last but not least: Wenig diplomatisch, demokratisch und höflich war bisweilen die ätzende Kritik einiger Sportfunktionäre, Sportpolitiker, aber auch einiger Athletinnen und Athleten an den Olympischen und Paralympischen Winterspielen 2022 in Peking! Damit wurden auch die gastfreundlichen Chinesinnen und Chinesen angegriffen, von denen nicht wenige durchaus kritisch zur eigenen politischen Administration stehen. Sachliche Kritik an manchen politischen Zuständen in China vor den Spielen ist durchaus angebracht, aber was einige deutsche Sportfunktionäre, Sportpolitiker und manche Athleten auch während der Spiele äußerten, ist weder fair noch hilfreich, um eine Verbesserung in einigen Bereichen in China zu erreichen. Wer von „schrecklichen Spielen“, von „eklatantem Missbrauch der olympischen Idee“ in Peking spricht, redet doppelzüngig, hat außerdem eine Doppelmoral. Niemand hat irgendjemanden gezwungen in Peking zu starten. Jeder konnte frei seine Entscheidung treffen – insbesondere in Deutschland. Medaillen sind zwar schön, aber nicht alles! Wer meint, es verbiete sich, in China zu starten, hätte daheim bleiben können. Respekt vor jedem, der sagt: „Nein, in China starte ich nicht, weil dort immer noch Menschenrechte verletzt bzw. Minderheiten unterdrückt werden!“. Wer aber nur gegen China verbal „bolzt“, dann aber trotzdem antritt, der ist nicht sonderlich glaubwürdig! Wie erwähnt, es gibt nicht wenige junge Chinesinnen und Chinesen, die für Veränderungen in ihrem Land mutig einstehen und mit viel Enthusiasmus dennoch den ausländischen Gästen sportlich wie organisatorisch gelungene Spiele präsentierten...

Und es ist nun einmal so, dass die westeuropäischen und nordamerikanischen Länder die Spiele 2022 nicht wollten und dazu weder ideell noch finanziell-materiell in der Lage waren. Sich jetzt zu beklagen, dass diese in Peking stattfanden, ist nur eines – zum Kopfschütteln!

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„Medaillenwertung“: Die meisten Medaillen bei den Paralympischen Winterspielen 2022 gewann China mit 61 (darunter 18 x Gold) vor der Ukraine mit 29 (darunter 11 x Gold), Kanada mit 23 Medaillen (darunter 8 x Gold), den USA mit 20 Medaillen (darunter 6 x Gold) und Deutschland mit 19 Medaillen (darunter 4 x Gold).

Info: Bekannte Schweriner Paralympionikinnen und Paralympioniken aus Schwerin sind die Judo-Zwillingsschwestern Ramona und Carmen Brussig, Jahrgang 1977. Carmen gewann zweimal Gold (2004, 2012) sowie zweimal Silber (2008, 2016). Einmal Gold (2012), einmal Silber (2016) und einmal Bronze (2008) gab es hingegen für Carmen. Beide nahmen außerdem 2021 an den Paralympics im Judo teil.

Im Para-Schwimmbereich hat Schwerin ebenfalls erfolgreiche paralympische Asse. Torben Schmidtke, Jahrgang 1989, schaffte jeweils über die 100 Meter Brust Silber (2012) und Bronze (2016); Denise Grahl, Jahrgang 1993, erkämpfte 2016 Silber über 50 Meter Freistil.

Im Para-Bahn-Radsport schafften außerdem bei den Paralympics 2016 im 1000 Meter-Zeifahren Kai-Kristian Kruse, Jahrgang 1991, und dessen Pilot Stefan Nimke (unter anderem auch Teamsprint-Olympiasieger 2004), Jahrgang 1978, Bronze.

Und die mittlerweile für Australien startende, gebürtige Schwerinerin Vanessa Low, Jahrgang 1990, jubelte 2016 über Gold im Weitsprung bzw. Silber über 100 Meter. Dazu gab es für Vanessa auch 2021 Gold im Weitsprung.

Überblick – Die Medaillen des deutschen Paralympics-Teams in Peking 2022

- Anna-Lena Forster (Ski Alpin / Jahrgang 1995): 2 x Gold, 2 x Silber

- Linn Kazmaier (Biathlon/Skilanglauf / Jahrgang 2006): 1 x Gold, 3 x Silber, 1 x Bronze

- Leonie Maria Walter (Biathlon/Skilanglauf / Jahrgang 2004): 1 x Gold, 3 x Bronze

- Marco Maier (Biathlon/Skilanglauf / Jahrgang 1999): 2 x Silber

- Martin Fleig (Biathlon / Jahrgang 1989): 1 x Silber

- Anja Wicker (Biathlon / Jahrgang 1991): 1 x Bronze

- Andrea Rothfuß (Ski Alpin / Jahrgang 1989): 1 x Bronze

- Anna-Maria Rieder (Ski Alpin / Jahrgang 2000): 1 x Bronze

- Siehe weitere Informationen zu den Winter-Paralympics 2022 unter www.beijing2022.cn/en/

 

Dr. Marko Michels